
26.10.2022 / Verfasserin: Constanze Irrgang
Zufluss bei Einkünften eines beherrschenden Gesellschafters an einer ausländischen Kapitalgesellschaft
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u. a. Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Derartige Gesellschaftsanteile können auch an ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden, die ihrer Struktur nach einer nach deutschem Recht errichteten Kapitalgesellschaft im Wesentlichen entsprechen.
Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Das ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. Ein Zufluss ist bei Bezügen eines beherrschenden Gesellschafters aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung bereits dann anzunehmen, wenn über die Gewinnverwendung ein Beschluss gefasst wurde. Weitere Voraussetzung ist, dass der Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet. Es dürfen keine Hindernisse des Gesellschaftsrechts oder allgemeinen Zivilrechts oder solche insolvenzrechtlicher, steuerrechtlicher oder bilanzrechtlicher Art bestehen.
Der BFH (Urteil vom 14. Februar 2022 - VIII R 32/19) hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem der Steuerpflichtige beherrschender (Allein-) Gesellschafter einer kroatischen der deutschen GmbH vergleichbaren d.o.o. war und in den betreffenden Jahren jeweils Gewinnausschüttungen beschlossen hatte, die ihm nicht ausbezahlt wurden. Das Finanzgericht war mit dem Finanzamt der Meinung, ein Zufluss nach den obigen Grundsätzen sei anzunehmen. Der BFH hingegen hob dieses Urteil auf Basis der zitierten Grundsätze unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht auf und führte aus, selbst wenn mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach ausländischem Recht ein sofort fälliger Gewinnauszahlungsanspruch entstehe, könne hieraus nicht in jedem Fall zwingend abgeleitet werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlange. Denn die Dispositionsmöglichkeit des Gesellschafters über die Auszahlung des Ausschüttungsbetrags könne nach den Gegebenheiten des jeweiligen ausländischen Rechts dennoch ausgeschlossen sein. Soweit und solange Gegebenheiten des ausländischen Rechts der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des beherrschenden Gesellschafters über den Ausschüttungsbetrag entgegenstünden, sei noch kein Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihm gegeben. Allein aus der Fälligkeit der beschlossenen Ausschüttungsbeträge dürfe noch nicht auf die wirtschaftliche Verfügungsmacht geschlossen werden. All das sei nach Maßgabe des ausländischen (hier kroatischen) Rechts zu prüfen, was das Finanzgericht nicht in ausreichender und widerspruchsfreier Weise getan habe.
Constanze Irrgang
Steuerberaterin - Rechtsanwältin