
13.09.2021 / Verfasser: Constanze Irrgang
Privates Veräußerungsgeschäft - Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung
Einkünfte aus sogenannten privaten Veräußerungsgeschäften unterliegen gemäß den §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2 EStG der Einkommensteuer. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG fallen darunter unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen über Grundstücke unterliegen (z. B Erbbaurecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden.
In seinem Urteil vom 25. März 2021 - IX R 10/20 - hat der BFH dieses nochmals bekräftigt und ergänzt, von einer (rechtsgeschäftlichen) "Anschaffung" oder "Veräußerung" könne nur gesprochen werden, wenn rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist übereinstimmend und bindend abgegeben worden seien. Denn mit den beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen werde der Vertragsschluss für die Vertragspartner zivilrechtlich bindend. Damit seien, dem Normzweck des § 23 EStG entsprechend, die Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung verbindlich eingetreten. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall allerdings lag das vom Kläger und seiner Ehefrau verkaufte Objekt in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet i.S. des § 142 des Baugesetzbuchs. Die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks bedurfte daher gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Am 20.12.2002 hatten der Kläger und seine Ehefrau ein notariell beurkundetes Angebot zum Erwerb einer Immobilie abgegeben, das der Veräußerer mit notariell beurkundeter Annahmeerklärung vom 07.01.2003 angenommen hatte. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 27.12.2012 hatten der Kläger und seine Ehefrau die Immobilie wieder verkauft. Nach § 4 des Kaufvertrags sollte der Kaufpreis binnen zehn Tagen fällig sein, nachdem den Vertragsparteien die Mitteilung des Notars zugegangen war, dass die sanierungsrechtliche Genehmigung zum Kaufvertrag nach § 144 BauGB vorliege. Die für die Eigentumsumschreibung erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB wurde von der zuständigen Gemeindebehörde am 05.02.2013 erteilt. Von dem - maßgeblichen - 07.01.2003 (Datum der "Anschaffung") an lief die 10-Jahres-Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (erst) am 07.01.2013 ab.
Würde man nun auf den notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 27.12.2012 abstellen, läge dieses noch innerhalb der Frist. Wäre die Genehmigung der Gemeinde vom 05.02.2013 maßgebend, wäre dieses nicht der Fall.
Der BFH hat entschieden, dass auf den notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 27.12.2012 abzustellen ist, auch wenn dieser wegen der erforderlichen Genehmigung noch schwebend unwirksam war: Dessen Bindungswirkung sei ausreichend, weil sich die Parteien bereits vor Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung auf die Vertragsinhalte geeinigt und sich mithin dergestalt gebunden hätten, dass sich keine Partei mehr einseitig vom Vertrag habe lösen können. Beziehe sich die - erforderliche - Genehmigung Dritter wie hier im Falle des nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrags oder die Wirksamkeit der Willenserklärungen und verfolge vielmehr Zwecke, die außerhalb des Vertrags lägen, und auf die die Vertragsbeteiligten keinen Einfluss hätten, habe sie auf die zivilrechtlich entstandene - und von den Vertragsbeteiligten auch gewollte - Bindungswirkung keinen Einfluss. Das Erstarken des hier noch schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts zur vollen Wirksamkeit sei nicht mehr vom Verhalten der Vertragsparteien abhängig, weil sich die Parteien bei noch ausstehender sanierungsrechtlicher Genehmigung sich die Vertragsparteien nicht einseitig von ihren Willenserklärungen lösen könnten.
Constanze Irrgang
Steuerberaterin - Rechtsanwältin