
09.06.2021 / Verfasser: Detlef Ullmann
Private Krankenversicherung
In der privaten Krankenversicherung kann sich die Höhe der Beiträge nach unten, jedoch meistens nach oben erhöhen. Dies geschieht im Regelfall durch ein Anschreiben der Versicherung mit Ankündigung einer geänderten Prämienhöhe. Näheres hierzu ist in § 203 VVG geregelt. Allerdings war offen, ob und mit welcher Begründung z.B. eine Beitragserhöhung angekündigt werden muss. Hier hat der BGH mit 2 Urteilen aus dem Dezember 2020 (Az. IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19) entschieden, dass die Begründung einer Prämienanpassung die Angabe des auslösenden Faktors, dessen Veränderung die Anpassung veranlasst hat, erfordert. Der Verbraucher muss nachvollziehen können, warum seine Prämie teurer wird. Nicht mitteilen muss der Versicherer allerdings laut BGH, in welcher exakten Höhe sich diese Faktoren verändert haben. Der Versicherer hat auch nicht die exakte Veränderung der Rechnungsgrundlagen die des Rechnungszinses oder der Lebenserwartung, die die Prämienhöhe beeinflusst haben, anzugeben. Es erfolgt insoweit eine Trennung zwischen formaler Begründung einerseits im Anschreiben und einer materiellen Prüfung, ob die angegebenen Gründe auch tatsächlich so zutreffen. Fehlt es an einer korrekten formalen Begründung, kann die Beitragserhöhung sogar für die Vergangenheit angefochten und die erhöhten gezahlten Prämien zurückgefordert werden. Strittig ist noch die Frage, wie lange rückwirkend eine Rückerstattung gefordert werden kann. Die übliche Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre ab Beginn des Kalenderjahres, wobei es hier jedoch auf eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Versicherten ankommt. Soweit keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorliegt, beträgt die Verjährungsfrist sogar 10 Jahre.
Der BGH hatte erstmalig im Jahre 2018 sich zur Frage der Prämienerhöhung geäußert, wenn auch dort zu einer anderen Problematik. Die Versicherungen gehen deshalb zumeist davon aus, dass ein Versicherter, wenn er zu einem Anwalt gegangen wäre, zumindest noch im Jahre 2018 oder jedenfalls im Jahre 2019 eine Kenntnis über die rechtliche Problematik erlangt hätte, sodass dann die Verjährung entweder am 01.01.2019 oder am 01.01.2020 begonnen hatte.
Die Versicherungen weisen allerdings darauf hin, dass selbst bei einer erfolgreichen Rückforderung von Prämien die Versicherten zumindest mittelfristig einen Großteil der zurückgezahlten Beträge wieder einzahlen müssen. Wenn nämlich im gewählten Tarif ein Teil der eingezahlten Prämien zurückerstattet werden muss, fehlt es in diesem Tarif an der notwendigen Liquidität. Dies führt im Regelfall dazu, dass spätestens bei der nächsten Prämienerhöhung zum einen die Begründung für die Erhöhung formal korrekt sein dürfte und zum anderen die Erhöhung auch deutlich höher ausfallen würde, um die eingetretene Liquiditätslücke zu schließen. Ein Wechsel zu einer anderen privaten Krankenversicherung ist für viele Versicherte nicht mehr möglich, jedenfalls nicht ohne umfassende Gesundheitsprüfung. Es kann allenfalls versucht werden, in einen anderen kostengünstigeren Tarif der eigenen privaten Krankenversicherung zu wechseln. Sollte sich allerdings die Rückforderungswelle von Prämien durch alle Tarife ziehen, muss dann auch in allen Tarifen mit entsprechend höheren Prämienanpassungen gerechnet werden. Ein Wechsel zurück zu einer gesetzlichen Krankenversicherung ist ab einem bestimmten Alter ebenfalls nicht mehr möglich.
Fazit: Ein Pyrrhussieg?
Detlef Ullmann
Rechtsanwalt